20070423

die kunst der kunstfigur

Die Kunst der Kunst sich selber zu erschaffen, vollendete ein (oder mehrere Künstler) scheinbar mit dem Maler Bohumil Samuel Kecir. Nach Zeitungsberichten soll der Künstler nie gelebt haben, aber seine Bilder wechseln noch heute für mehrere tausend Euro die Besitzer.
"Eine Biografie, laut der der angeblich 1904 geborene Künstler unter Nazis sowie Kommunisten gelitten habe und 1987 in einer Heilanstalt gestorben sei, sei vermutlich völlig erfunden, berichtete die Prager Zeitung «Lidove noviny». Während tschechische Kunstexperten von einem offensichtlichen Betrug sprachen, wies der Wiener «Kecir-Spezialist» Erich Tromayer den Verdacht zurück. Er habe Kecir zwar nicht persönlich gekannt, der Künstler habe aber tatsächlich gelebt, sagte Tromayer, der über den angeblichen Maler ein Buch geschrieben hat. Hingegen hätten Recherchen des tschechischen Fernsehsenders TV Nova sowie der Zeitungen «Hospodarske noviny» und «Respekt» keinen zweifelsfreien Hinweis für die Existenz von Kecir erbracht, hieß es in Prag." (ganzer Artikel in der Mitteldeutschen Zeitung)

Wo nun der Skandal genau liegt, ist beim zweiten Hinsehen gar nicht mehr so offensichtlich wie man denkt. Denn die Frage lautet: "Wer hätte da wen betrogen?
Betrug wäre doch:
1. Wenn ein anderer sich als eine existierende Person ausgibt um sich persönliche Vorteile/Bereicherung zu erschleichen.
2. Gefälschte Bilder in Umlauf bringt.

Beides scheint aber nicht der Fall zu sein. Hier hat doch bloß jemand eine Kunstfigur geschaffen, die ein Leben lang nur "eigene" Werke produziert und verkauft hat. Für einen Käufer ergibt sich daraus weder ein falscher Wert noch ein Qualitätsverlust. Es belibt immer in der Verantwortung des Käufers rechtmässigkeit des Kaufes zu prüfen." (Leserkommentar in der Wiener Zeitung)

Vielleicht ist es nur ein raffinierter Betrug an unserer Markenkultur?

Links: ausführlicher Artikel in Die Welt - Der Maler den es nie gab
Wikipedia -
Bohumil Samuel Kecir

20070419

Cuneks Weisheiten

Eine Anleitung wie man sich am besten Sozialleistung in Tschechien erschleicht, veröffentlichte der Vorsitzende der Christdemokraten Jiri Cunek in einem Interview mit der tschechischen Bild-Zeitung "Blesk":

Die Schritte zum Erfolg:

1. Lassen Sie sich kräftig bräunen!

2. Veranstalten Sie mit Ihrer Familie einmal richtig Chaos!

3. Machen Sie ein Feuer auf dem Marktlatz Ihrer Heimatstadt!


Die Preisfragen: Welche Sprache müssen Sie noch beherrschen, um Punkt 1 - 3 erfüllen zu können?

Wen hat Herr Cunek als "Geschwür" bezeichnet, das "Dreck macht"?
Welche Bürger mit Mietrückstand hat Herr Cunek zwangsumsiedeln lassen?
Wem auf Anhieb keine Antworten einfallen, hat die Möglichkeit das Ermittlungsverfahren wegen Korruptionsverdacht zu verfolgen, da Herr Cunek die Herkunft von fast einer halben Million Kronen (17.879 Euro) nicht erklären kann, die er von einer Immobilenfirma für die Bevorzugung bei einem Auftrag erhalten haben soll.

Den Blick frei auf den Zustand der tschechischen Gesellschaft und auf die politische Klasse machen die tschechische Zeitungen "Hospodarske noviny" und "pravo".
Zitiert von Radio Prag:

" ´Die Hospodarske noviny verweisen darauf, dass es dort, wohin Cunek - damals noch als Bürgermeister von Vsetin - die Roma umgesiedelt hat, nämlich nach Vidnava / Weidenau, dass es dort sogar ein "Weißer" schwer habe Arbeit zu finden. Weiter heißt es:
"Darüber hinaus ist Cuneks Ratschlag, sich zu bräunen, riskant: Zu stark gebräunten Tschechen könnte es leicht passieren, dass sie in Ostrava / Ostrau nicht mehr in die Restaurants gelassen werden (wie die drei Roma, die vergangene Woche eine Entschuldigung vor Gericht erstritten haben). Und zu stark gebräunten Tschechinnen könnte es passieren, dass der Arzt sie nach einer Entbindung sterilisiert, falls es ihm scheint, dass sie irgendwie schon ziemlich viele Kinder haben (wie Helena Ferencikova, der das nicht zu kommunistischen Husak-Zeiten, sondern im Jahre 2001 passiert ist). Cunek sollte den Leuten etwas empfehlen, was man sich - im Unterschied zur Hautfarbe - wirklich aussuchen kann. Zum Beispiel eine Mitgliedschaft bei den Christdemokraten. In den großen Parteien funktioniert schon ein Selbstreinigungs-Mechanismus. Aber bei den Christdemokraten kann man noch labern, was einem einfällt und dabei, mit einem polizeilichen Ermittlungsverfahren am Hals, in der Regierung sitzen. Die Partei lässt einen nicht fallen.'

Die linksliberale Tageszeitung Pravo lenkt den Blick von Jiri Cunek auf die gesamte tschechische Gesellschaft:
'Wie auch immer Vizepremier Cunek endet - ob mit einem Auftrittsverbot für die politische Bühne wegen rassistischer Äußerungen, oder im Gefängnis wegen Korruption oder - im Gegenteil - vielleicht sogar auf der Burg als Megafon für die einfachen, radikalen und beliebten Pseudo-Lösungen komplexer Probleme. Seine Rolle hat er schon erfüllt: Ohne es zu beabsichtigen, zeigt er beinahe umfassend, wie es um die tschechische Gesellschaft und die große Politik bestellt ist.' "
Quellen:

20070418

Intime Erleichterung

In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung wird die Situation im Grenzgebiet passend auf den Punkt gebracht. Über intime Erleichterung bayrischer Kunden und garantiert gefälschte Markenware, zeigt sich ein Bild Tschechiens, dass mit dem Rest dieses Landes oft nur wenig gemeinsam hat.

"... In dem nur knapp vier Kilometer vom Grenzübergang Philippsreut entfernten Ort dominieren, wie fast überall im böhmischen Grenzland, heruntergekommene Verkaufsbuden das ohnehin karge Ortsbild: Asiatische Händler bieten garantiert gefälschte Markentextilien und original Schwarzmarkt-Videodiscs mit den neuesten westlichen Kinohits in übelster Qualität zu Schleuderpreisen an, dazu in rauen Mengen Zigaretten von zweifelhafter Herkunft. ...
Neben den Buden residieren in heruntergekommenen Häusern allerlei Massageclubs, in denen der männlichen Kundschaft, vorzugsweise aus dem nahen Bayern, sehr offensichtlich intime Erleichterung versprochen wird. ..."

Es wird hier auch treffend die Frage gestellt: "Es ist bemerkenswert, dass sich derartige Zusammenballungen von mutmaßlicher Schieberware und offenkundigen Urheberrechtsverletzungen in einem Mitgliedsland der EU bis heute halten können. Solche Asiatenmärkte gibt es nun immerhin schon im 17. Jahr." (ganzer Artikel auf sueddeutsche.de)

Korruption? Überlasteter Zoll? Angst vor dem Wegbleiben deutschen Grenzgänger?

20070417

Die goldene Mitte

Was mit einem harmlosen Lied für eine Gehaltserhöhung begann, geht schon soweit, dass selbst Präsident Klaus sich in die Tarifverhandlungen bei Skoda einschaltet. Der Ökonom warnte vor einem zu hohen neuen Tarifabschluss für die Beschäftigten von Skoda, die mit einer, für deutsche Verhältnisse "utopischen", Gehaltserhöhung von 20% in die Verhandlungen gehen. So schreibt die Sueddeutsche Zeitung, dass es Ziel sei sich VW, dem Mutterkonzern, anzupassen:

"Nicht nur wegen der hohen Prozentzahlen, die sich indes je nach Laufzeit relativieren, erregt der Tarifkonflikt Aufsehen. Ökonomen befürchten, ein hoher Abschluss werde ,,die Wirkung einer Lawine haben‘‘, wie der Präsident der tschechischen Wirtschaftskammer, Jaromir Drabek, erklärte. Staatspräsident Vaclav Klaus eilte ins Skoda-Werk Kvasiny und warnte vor ,,einem Signaleffekt für die ganze tschechische Wirtschaft‘‘. Was die Gewerkschaften als eine ,,völlig unangebrachte Einmischung in die Tarifautonomie‘‘ empfanden.
Die Skoda-Arbeiter haben ihre eigenen Maßstäbe. Zwar liegt ihr Monatslohn von derzeit 22.000 Kronen (790 Euro) brutto um fast zehn Prozent über dem Durchschnittseinkommen in Tschechien. Doch sie orientieren sich auch an ihren Kollegen im VW-Konzern, die in Deutschland mehr als das Dreifache verdienen, wenn auch bei niedrigerer Kaufkraft und höheren Steuern." (ganzer Artikel in der Sueddeutschen Zeitung)
Zu bedenken ist jedoch auch, dass ein höheres Einkommen, auch einen höheren Konsum nach sich zieht, was wieder dem Binnenmarkt zu Gute kommt, höhere Lohnkosten aber die Wettbewerbsfähigkeit von Skoda beeinträchtigen.
Wo liegt also die "goldene Mitte"?
Aktuell
Links:
Wikipedia: Škoda Auto
Skoda-Emblem: "SkodaUm den gepflügelten Skoda-Pfeil ranken sich Legenden. Eine besagt, dass der damalige kaufmännische Direktor von einer Reise einen Indianer als Diener mitbrachte. Dessen Kopfschmuck ziere das Logo. Offizielle Erklärung: Der Schwarze Kreis steht für den Globus, der Flügel für Fortschritt. Der Pfeil soll das Bautempo darstellen, das Auge die Skoda-Vision." (aus einfach-autos.de)

20070416

Amtsenthebung

Einen traurigen Anlass zur Berichterstattung über Tschechien liefert der Bischof der Hussitischen Kirche in Prag Karel Bican, der seines Amtes enthoben wurde. Grund hierfür waren obszöne Angebote an einen jungen Mann, die mitgezeichnet wurden. Besonders traurug an dieser Angelegenheit ist, dass der Bischof nicht freiwillig zurückgetreten ist, sondern seines Amtes enthoben werden musste. Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sonst der Bischof aus dieser Affäre ziehen wollte. Mit welcher Glaubwürdigkeit wollte er sein Amt denn weiterführen?
(ganzer Artikel in der Netzeitung)

Tschechoslowakische Hussitische Kirche
Wikipedia: Hussiten

20070413

Prager hAmpelmann

Dass die Tschechen Humor haben und einige auch keinen, zeigt die Aktion eines unbekannten tschechischen Künstlers, der die Ampelmännchen ausgetaucht und ein paar "echte" Prager hAmpelmänner eingesetzt hat.
Die ganze lustige Chose findet sich in der Sueddeutschen Zeitung
Weitere hAmpelmänervorschläge werden hier gerne entgegengenommen!

20070411

Chanson pour l'argent

In den Skoda-Werken im böhmischen Mlada Boleslav wird zur Zeit um eine Lohnerhöhung gesungen. Mit einem "Lied im 'im Stil der Disco-Hits der achtziger Jahre': Ihr kassiert hier ab und haltet uns knapp, die Realität kennt ihr schlecht, bezahlt uns endlich gerecht." Es ist wahrscheinlich zu vermuten, dass sich dauersingende Streikposten in der Vorstandsetage einquartiert haben und dort solange schief gesungen wird bis die Damen und Herren der Vorstandsetage allen Forderungen bedingungslos zustimmen. Da Tschechien dieses Jahr auch zum ersten Mal am großen Grand Prix d'Eurovision de la Chanson teilnehmen wird, kann man sich zur Not noch hier bewerben, falls es mit der Lohnerhöhung nicht klappen sollte. Musikalisch und Textlich wird man sich sicher dort auf einer gemeinsamen Ebene bewegen ...
(ganzer Artikel in die Kleine Zeitung)

20070405

Radarfalle Trokavec


In Die Zeit kämpft ein böhmisches Dorf für den Weltfrieden. Das dieses etwas utopisches an sich hat, ist wohl nicht zu bestreiten. Deswegen kämpft man gleichzeitig noch für einen guten Fernsehempfang. Einen Einblick, welche Auswirkungen die Weltpolitk auf ein Dorf mit 98 Einwohnern, einer Kneipe und keinem Wasseranschluss hat, gewährt uns unter "Das Dorf ist voll" Die Zeit. (ganzer Artikel)

Dass es für tschechische Politiker noch ein großes Stück arbeiten werden kann, die Menschen in den betroffenen Gemeinden von der Notwendigkeit des Baus einer solchen geplanten Radaranlage, zu überzeugen, lässt sich beim Bürgermeister von Takovec erahnen: "Wissen Sie, ich kenne mich mit Radaranlagen ein bisschen aus. Ich habe früher mit Radartechnik gearbeitet, und ich denke, es ist eine Schweinerei, eine solche Anlage in der Nähe bewohnten Gebiets aufzustellen. Eine Schweinerei, zitieren Sie mich damit!"

Es stellt sich die Frage: Wird es ein Kampf gegen Windmühlen a la Don Quichote? Oder kann das kleine gallische Dorf gegen die Übermacht der Römer standhalten? Time for a comment!