20070223

Kafka auf Reisen

Für alle kafkaesken Kafker unter uns empfiehtl sich ein Bersuch der Ausstellung "Wege des Franz K." im Tschechisches Zentrum Berlin. "Der tschechische Fotograf Jan Jindra, 1962 in Prag geboren, verfolgte Kafkas Wege durch Europa und machte vor Ort Aufnahmen, die motivisch von Kafkas Texten inspiriert sind. Tagsüber arbeitete er (Anm. Kafka) als Versicherungsbeamter, nachts schrieb er an seinen Erzählungen und Romanen. Das gängige Kafka-Bild vermittelt den Eindruck, der Autor habe sein kurzes Leben sesshaft am Schreibtisch verbracht, doch tatsächlich ist er für seine Zeit recht weit herumgekommen. Von Norderney bis nach Norditalien fuhr er manchmal in dienstlichem Auftrag, manchmal zu einem Kuraufenthalt, oft aber aus reiner Lust am Reisen. Er weilte in Ostseebädern, schaute sich europäische Metropolen an und nahm mehrere Anläufe, in Berlin sesshaft zu werden." (ganzer Artikel zur Aussellung in der taz)

"Wege des Franz K." Tschechisches Zentrum, Friedrichstr. 206 (Stadtplan), Mo. 14-18, Di.-Fr. 10-13, 14-18 Uhr, und im Kleisthaus, Mauerstraße 53, Mo.-Fr. 9-18 Uhr, bis 16. März

Familiensilber

Wenn wir schon einmal beim Thema Bier sind, soll auch nicht verschwiegen werden, dass das berühmte tschechische Bier Budweis/Budvar wahrscheinlich an die Amerikaner verkauft wird, die die Kopie Budweiser (wie man munkelt von weit minderer Qualität) herstellen. Es ist die letzte Brauerei, die sich noch in tschechischer (staatlicher) Hand befindet. Berühmt wurden beide Brauereinen auch aufgrund des Rechtsstreits, wer, wo und unter welchem Namen welches Bier verkaufen darf. Da es auch der Stolz der tschechischen Biertrinker ist, wird die Kritik an dem Vorhaben nicht lange auf sich warten lassen, aller höchstens nach ein, zwei Bier ... (ganzer Artikel in der Märkischen Allgemeinen aus Potsdam)

wie nach 15 Bier ...

Dass nicht nur die Tschechen dem Alkohol frönen können, sondern sich auch das Damwild (was für ein Wort) mindestens einmal im Jahr berauscht, beweisen betrunkene Hirsche vor allem im Böhmerwald. Die Hirsche bevorzugen nicht die Getreidekaltschale wie der gemeine Tscheche, sondern frönen Raps- und Rübenschnaps in Form von gärenden Blättern. Somit ist Vorsicht geboten beim spacirovat in böhmischen Wäldern... (ganzer Artikel auf vol.at)

20070217

Geld oder Leben

Der Spielfilm Die Fälscher, der auf der Berlinale Premiere hat, erzählt die Geschichte eines außergewöhnlichen Menschen, eines Prager. Der Film basiert auf seiner Geschichte. Einer Geschichte eines kommunistischen Juden, den die Nazis im Konzentrationslager Auschwitz dazu zwangen, englische Pfundnoten zu fäschen. Von einer außergewöhnlichen Begegnung mit ihm erzählt Evelyn Finger in derZeit:
"Juden wurden für dieses sogenannte Unternehmen Bernhard rekrutiert, um die Geheimnisträger nach getaner Arbeit problemlos beseitigen zu können. Burger, der diesen Sommer 90 wird, müsste eigentlich seit mehr als 60 Jahren tot sein. Er ist in Auschwitz fast verhungert, wurde in Birkenau mit Typhus infiziert, ließ sich von einem Mitgefangenen einen erfrorenen Zeh amputieren, bekam von einem SS-Bewacher die Vorderzähne ausgeschlagen und sollte noch wenige Stunden vor Kriegsende erschossen werden.... Der gelernte Drucker spricht über die Vergangenheit, als hätte er sie gestern erlebt, und so unsentimental, als sei sie jemand anderem widerfahren. Der Sohn armer Juden, geboren 1917 in der Hohen Tatra, erzogen in der linkszionistischen Jugendorganisation Haschomer Hazair, arbeitete nach Machtantritt des faschistischen Priesters Josef Tiso für die verbotene kommunistische Partei der Slowakei. 1942 wurde er in Bratislava verhaftet. Erst kam er nach Auschwitz, dann nach Birkenau, dann nach Sachsenhausen." (ganzer Artikel)

Adolf Burger: Des Teufels Werkstatt erscheint im März 2007; Sandmann, 2007; 280 S., 22,95 €

Wikpedia: Adolf Burger

Adolf Burger: Besuch eines Zeitzeugen

Publikationen von Adolf Burger aus dem Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

offizielle Homepage des Films Die Fäscher (Universumfilm)

20070216

Viva Las Vegas...

Eine weitere Besonderheit, der der gemeine Pragbesucher oft schnell erliegen kann, ist das große Angebot an Glücksspiel. Für Glücksspieler ist Tschechien, und hier ganz besonders Prag, fast schon ein Land voll Spielmilch und Spielhonig. So existieren In der Tschechischen Republik mehr Casinos, Lotterie- und Glücksspielgesellschaften als in der ganzen übrigen EU zusammen! AUSRUFEZEICHEN!

Jedoch wurde Tschechien nun von der EU aufgefordert, das sehr liberale Gesetz zum Glücksspiel zuändern, und entspechende EU-Richtlinien umzusetzen. So berichet Radio Prag: "Die rechtlichen Bestimmungen in diesem Bereich sind sehr schlecht. Das führt unter anderem dazu, dass hierzulande riesige Mengen von Schwarzgeld gewaschen werden", so die Europaabgeordnete Jana Hybaskova." ... "Schätzungen gehen davon aus, dass jeder zehnte Tscheche Probleme hat, die direkt oder indirekt mit dem Glücksspiel in Verbindung stehen. Sogar für etwa 600 Selbstmorde pro Jahr wird das Zocken verantwortlich gemacht." (ganzer Artikel oder zum Nachhören)

20070215

Götterbote

Vielen Pragbesuchern fällt auf, dass sehr viele obdachlose Menschen in Prag leben. Besonders in den Nachtstaßenbahnen sind Sie zu finden, wenn oft die Straßenbahn, der einzige halbwegs warme Ort ist, um die Nacht zu verbringen. Nicht zu vergessen ist, dass die Winter in Prag, mit Ausnahme von diesem vielleicht, besonders kalt ein können. Über ein besondere Einrichtung für Obdachlose berichtet heute die net tribune: "Das Schiff heißt "Hermes" wie der Götterbote, und für viele Obdachlose in Prag bringt es eine gute Nachricht: 250 Schlafplätze stehen dort für Menschen zur Verfügung, die bei der postkommunistischen Liberalisierung auf der Strecke geblieben sind. "Für mich ist es das Paradies", sagt der 22-jährige David Stojka, einer der ersten, die im Februar für ein paar Nächte eine warme Mahlzeit, ein Bett und ein Dach - oder Deck - über dem Kopf fanden. "Wir glauben, dass dies das erste schwimmende Obdachlosenasyl in Europa ist", meint Jiri Janecek, rechtsgerichteter Stadtrat der tschechischen Hauptstadt und Beauftragter für Soziale Angelegenheiten." (ganzer Artikel)

zum Thema

Radio Prag 22.01.2007: "Deutlicher weniger Geld für sozialen Wohnungsbau in Tschechien.
In diesem Jahr werden deutlich weniger Gelder für den sozialen Wohnungsbau in Tschechien bereitstehen als noch 2006. So sinkt die Summe, die den Städten und Gemeinden zur Verfügung gestellt wird von 1,4 Milliarden Kronen (50 Millionen Euro) auf nur mehr 800 Millionen Kronen (28 Millionen Euro). Hintergrund für den Rückgang sind Kürzungen, die im Haushalt vorgenommen wurden. Dabei überstieg im vergangenen Jahr die Nachfrage das Angebot um rund ein Fünftel."


aus "Ist der schwejksche Humor noch zu retten?" (tschechien-portal.info): "Die Unmöglichkeit der Durchführung einer Transformation in der versprochenen Geschwindigkeit macht gerade den ehemaligen Premierminister Václav Klaus zur Zielscheibe neuer Witze, er wird zum Sinnbild der neuen, die Gesellschaft prägenden sozialen Spaltungen: Ein Obdachloser im Park beim Hauptbahnhof ißt Gras. Kommt Havel vorbei, sieht ihn und gibt ihm 5000 Kč (Kronen): „Kaufen Sie sich etwas zum Essen.“ Der Obdachlose will gerade losgehen, um sich etwas zu Essen zu kaufen, da sieht er Václav Klaus kommen. So beginnt er wieder Gras zu essen. Klaus hält tatsächlich an und gibt ihm 10 Kč: „Fahren Sie nach Smíchov (Stadtteil von Prag), dort gibt es besseres Gras.“

20070213

tschechische Kultur

Wer auf der Suche nach tschechischer Kultur im Internet begibt, stößt heute auf sehr unterschiedliche Artikel.

Zum einen auf einenBericht über den berühmten tschechischen Schriftsteller Arnost Lustig, der in seinem Roman "Deine grünen Augen" über ein Tabuthema schreibt - Zwangsprostitution unter der Naziherrschaft.
"Als literarischen Stoff entdeckte dieses Tabuthema der Israeli Yehiel Dinur bereits in den frühen 50er Jahren. Nun greift es der tschechische Autor Arnošt Lustig auf: Sein Roman "Deine grünen Augen" erzählt vom Schicksal der 15-jährigen "Feldhure" Hanka Kaudersová. Als tschechische Jüdin wird sie ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Sie putzt gerade die Krankenstation, als eine Selektion stattfindet - junge Frauen werden für den Dienst in Feldbordellen ausgewählt. Hanka, die ihre Angehörigen in den ersten zweieinhalb Wochen in Auschwitz verloren hat, entscheidet in Sekundenschnelle, sich zur Verfügung zu stellen. Sie verschweigt, dass sie Jüdin ist und behauptet, bereits achtzehn Jahre alt zu sein. So gelangt sie ins Feldbordell Nr. 232 Ost, irgendwo am Ufer des San, östlich von Auschwitz. Dort hat sie täglich ein Dutzend Soldaten zu bedienen. Und überlebt." (ganzer Artikel auf Deutschlandradio Kultur oder zum Hören als mp3)

In diepresse.com findet sich ein Artikel zum 75.Geburtstag vom Regisseur und Oscarpreisträger Milos Forman.
"Von einigen Ausnahmen abgesehen, hat es sich immer gelohnt, auf Formans Filme zu warten. Der Exil-Tscheche und Wahl-Amerikaner, der 1932 in Mittelböhmen als jüngster Sohn eines jüdischen Lehrers zur Welt kam, geht kontroverse Stoffe mutig an und führt häufig die Kehrseiten seiner Figuren vor. Reine Filmbiografien seien meistens "ziemlich langweilig", sagte er kürzlich. "Da muss immer noch etwas anderes in der Geschichte stecken. Bei 'Amadeus' war das der Konflikt zwischen Salieri und Mozart." Mit "Kuckucksnest" entfachte er eine Debatte über den Umgang mit psychisch kranken Menschen. "Larry Flynt", die Geschichte des erfolgreichen US-Verlegers des Pornoblattes "Hustler", löste eine heftige Diskussion um dessen Rolle als Vorkämpfer der Meinungsfreiheit aus." (ganzer Artikel in diepresse.com)

Aber wahre Kultur kommt in Tschechien als Breitensport nur in Form von kalten Gerstenkaltschale vor. Die Überschrift bringt es eigentlich schon auf den Punkt. Der Groschen fällt aber nüchtern leichter. Warum die Tschen vielleicht doch nicht ganz so viel trinken, wie sie selben denken und man ihnen jahrelang vorgerechnetet Die folgende Ernüchterung findet sich hier: "Bierkonsum : Tschechien Weltmeister nur wegen ausländischer Touristen? - Tschechische Tourismusvereinigung stellt offizielle Statistik in Frage" zum Artikel

20070208

Krieg der Sterne in Tschechien

Schlagzeilen nicht nur in Tschechien, sondern auch im deutschsprachigen Raum, lösen die Pläne der USA aus, in Tschechien eine Radaranlage zu installieren und in Polen eine Raketenabschussbasis zu errichten. Das Meinungsbild hierüber ist ziemlich geteilt, so schreibt die Berliner Zeitung: "Auch die Bevölkerung (Anm.: in Tschechien) ist unschlüssig: Zwei Drittel sprachen sich in einer Umfrage gegen eine Raketenbasis aus, zwei Drittel aber haben nichts gegen ein Radar." Die Politik steht dem eher positiv entgegen, wenn man von der erwarteten Ablehnung seitens der mitregierenden Grünen bzw. der Kommunisten absieht. "Die oppositionellen Sozialdemokraten stehen vor einer Zerreißprobe. Ihr Parteichef Jiri Paroubek sagt Ja, die Mehrheit an der Basis Nein. Als offizielle Linie der Sozialdemokraten gilt - vorübergehend - eine schwammige Formel: die Partei habe sich noch nicht definitiv entschieden, ihr Standpunkt sei auf der Grundlage neuer Entwicklungen veränderbar."
Hintergrund dieser eher zustimmenden Haltung der Regierungsparteien ODS und KDU-CSL, ist das Kalkül, das mit der Zustimmung zum Bau einer Radaranlage, bestimmte Forderungen seitens Tschechiens an die USA gestellt werden können, u. a. eine Erleichterung, wenn nicht sogar die Aufhebung der Visumspflicht für tschechische Staatsbürger bei der Einreise in die USA könne gefordert werden.

Ein entschiedener Befürworter ist (vielleicht überraschenderweise) Ex-Präsident Vaclav Havel. Er "hatte gestern in einem Gastkommentar für die links-liberale Tageszeitung Právo bekräftigt, dass er für die US-Radaranlage auf tschechischem Boden ist, und zwar ohne die Durchführung eines Referendums." (ganzer Artikel und in 20min.ch)

Die betroffenen Gemeinden versuchen sich jedoch gegen den Bau zu wehren. So wurde versucht Außenminister Schwarzenberg, von der Notwendigkeit eines Referendums zu überzeugen, in dem die Bürger, über den Bau abstimmen sollten. So schreibt Tschechien Online: "In dem 98-Seelen-Dorf Trokavice bei Rokycany (Kreis Pilsen) beschloss der Gemeinderat gestern, ein lokales Referendum abzuhalten. 'Mit uns wird doch sowieso niemand reden. Deshalb haben wir getan, was wir tun mussten', so Bürgermeister Jan Neoral. Weder ihn noch die anderen Bürgermeister konnte Schwarzenberg gestern von dem Projekt überzeugen."

Über die Gründe für die ablehnende Haltung berichtet der Deutschlandfunk in einer Sendung: "Von Pribram strahlt der Protest inzwischen auf ganz Tschechien aus. Das Kommando führt eine eilig gegründete Bürgerinitiative, die den Widerstand von Prag aus steuert. An ihr beteiligen sich dutzende Organisationen von Umweltschutzverbänden bis hin zur kommunistischen Jugendgruppe. Die Motive der Demonstranten sind entsprechend unterschiedlich. Einige befürchten eine Strahlenbelastung durch die Radarschüsseln, andere sehen die territoriale Integrität Tschechiens gefährdet, wenn ausländische Streitkräfte im Land stationiert werden. Eine große Rolle spielt auch die anti-amerikanische Haltung, die viele Gegner der Radarstation verbindet."

Die weitere Vorgehensweise der tschechischen Regierung sieht wie folgt aus:"Die tschechische Regierung werde die Anfrage in den nächsten Wochen beantworten und «wahrscheinlich» Gespräche mit Washington beginnen, sagte Topolanek am Mittwoch einem Parlamentsausschuss. Sollte das Vorhaben gebilligt werden, könnte der Stützpunkt laut Topolanek 2011 in Betrieb gehen. Er sei überzeugt davon, dass die Errichtung einer Radarstation auf tschechischem Gebiet im Interesse des Landes sei. «Sie wird die Sicherheit der Tschechischen Republik und Europas erhöhen», sagte der Regierungschef kürzlich." (ganzer Artikel in der Basler Zeitung)

Es stellt sich natürlich die Frage, wie sich groß der Widerstand in der tschechischen Bevölkerung sein wird und welchen Druck somit auf die Entscheidung der Regerung ausgeübt werden kann. Wird es zu einer Entscheidung über die "Köpfe der Bürger" kommen oder wird dem Bürger eine Möglichkeit der Entscheidung in Form eines Referendums gegeben. Bis zu den nächsten Wahlen ist noch viel Zeit, so dass zu vermuten ist, dass auf die Meinung der Bürger, nicht so viel Wert gelegt wird wie zu Wahlzeiten.

20070206

böhmisches Kopfschütteln

Einen schönen Artikel über spanische Dörfer, die uns böhmisch vorkommen, möchte ich an dieser Stelle einmal unkommentiert präsentieren. Anlass ist eine Broschüre des tschechischen Sozialministeriums, in der u. a. erklärt wird, dass Kopfschütteln Widerspruch signalisiert, wenn das einem nicht mal böhmisch vorkommt...

"Wenn wir über „böhmische Dörfer“ reden, dann meinen wir Orte wie Chrašticky, Nová Ves pod Pleší, Dolní Slivno oder Brví. Schon deren tschechische Schreibweise ist uns derart fremd, dass wir gar nicht erst versuchen, sie korrekt auszusprechen. Zu recht!

Wenn wir über Tschechien redeten, dann meinten wir bislang Prag, Pilsner, Karel Gott, Biene Maja, Milan Baros und Franz Kafka. Wir glaubten zu verstehen und sprachen „Knedlíky“ (Knödel, siehe Foto) ganz gelassen aus und die Prager fröhlich an. Zu unrecht, wie sich jetzt herausgestellt hat. Man hätte es ahnen können. Damit es künftig mit der Verständigung zwischen der tschechischen Bevölkerung und ausländischen Gästen besser klappt, hat das Prager Sozialministerium nun eine Broschüre mit dem schönen Titel „Handreichung für Tschechien“ herausgegeben. Darin ist schwarz auf weiß nachzulesen, was man als Ausländer in Tschechien zu tun hat – und was zu lassen. Vor allem letzteres kommt in Betracht, wenn es um Begegnungen mit der einheimischen Bevölkerung geht: So sollten Ausländer Tschechen offenbar nicht allzu lange die Hand schütteln, mit ihnen nicht über Politik reden und sich im Linienbus nur in Ausnahmefällen direkt neben sie setzen. Sollte sich ein Kontakt dennoch nicht vermeiden lassen, gibt das Ministerium folgende sachdienliche Hinweise: „In Tschechien ist die Frau ein gleichwertiger Gesprächspartner“ sowie „Kopfschütteln signalisiert Widerspruch“. (ganzer Artikel in der Pforzheimer Zeitung)

Dass man uns Ausländern auch das noch sagen muss, kommt uns allerdings eher spanisch denn böhmisch vor.
UPDATE: Hans-Jörg Schmidt:"Benimm-Fibel für Tschechien" in sz-online.de
Wikpedia: Kopfschütteln

Gauck-Behörde auf tschechisch

Eine Diskussion über die Aufarbeitung der kommunitischen Diktatur und die Rolle des damaligen tschechischen Geheimdienst (Stb) wird nun auch verstärkt in der tschechischen Öffentlichkeit diskutiert. So fordert unter anderem der tschechische Kardinal eine Stb-Kommission für Tschechien, "die die Verstrickungen von katholischer Kirche und dem ehemaligen kommunistischen Staatssicherheitsdienst in der Tschechoslowakei analysieren soll. ... Vlk erklärte, unter anderem sollten "objektive Tatsachen" analysiert werden, die einzelne Geistliche zur Kollaboration mit dem kommunistischen Regime bewegt hätten. "Die Praktiken der Staatssicherheit waren sehr hart, wenn es darum ging, Mitarbeiter zu gewinnen", betonte der Kardinal. Auch Geistliche hätten dem Druck oft nicht standgehalten: „Nicht jedem Menschen ist es gegeben, ein Held zu sein.“ " (ganzer Artikel auf Tschechien Online)

Eine ähnliche Institution wie in Deutschland fehlt im Moment noch in Tschechien, die von vielen Seiten aber als notwendig zur Aufarbeitung dieser Zeit betrachtet wird.

Bundeszentrale für politische bildung: " Die Aufarbeitung der Diktaturen in Tschechien und der Slowakei"

20070202

Miroslavs Eiergedöns

Wer in den letzten Tagen den Eindruck von schlechten Manieren bei Tschechiens Spitzenpolitikern gewonnen haben sollte, dem gibt Premierminister Topolanek noch einen Fingerzeig, aber nicht irgendeinen Fingerzeig - es ist der Fingerzeig. So berichtet Tschechien-Online: "Zu der ganz und gar nicht staatsmännischen Geste war es gekommen, nachdem die Kommunisten die Anwesenheit des Premiers oder seines Stellvertreters bei der Aussprache gefordert hatten. Als Topolánek tatsächlich in den Sitzungssaal eilte, erntete er mäßigen Applaus von der Opposition. Der die Sitzung leitende Jan Kasal (KDU-ČSL) scherzte daraufhin, der Premier möge den Applaus zu schätzen wissen. Doch der zeigte der Opposition stattdessen den ausgestreckten Mittelfinger." Nachdem er sich im Parlament entschuldigte begann die eigentliche "Komödie": "... in der Parlamentslobby sprach Topolanek davon, die Geste habe eigentlich seinem Finanzminister Miloslav Kalousek (KDU-ČSL) gegolten und sei lediglich „nonverbale Kommunikation“ gewesen. Kalousek bestätigte diese Version des Premiers dann sogar. Auf die Frage, was der emporgereckte Mittelfinger in der nonverbalen Kommunikation zwischen ihm und dem Premier bedeute, sagte Kalousek gegenüber der Tageszeitung Lidové noviny (Prag), Topolánek habe ihm signalisieren wollen, dass er die Nummer Eins sei."

Wer an dieser Stelle den Fingerzeig noch nicht ganz "fassen" konnte, den hilft die TAZ in Ihrem Artikel "Tschechiens Regierungschef: Ein ganzer Kerl oder ein Wallach(e) mit Eiern" gerne auf die Sprünge. "Ein 'Kerl mit Eiern' sei er, tönte Mirek Topolanek, der tschechische Ministerpräsident, als er im vorigen Jahr den Wahlkampf einläutete. ...Anscheinend wollte es Topolanek bei seinem ganzen Eiergedöns partout nicht bei der Metapher lassen: Er schwängerte seine Geliebte. Eine blonde Enddreißigerin, Parteifreundin, Abgeordnete und neuerdings stellvertretende Vorsitzende des tschechischen Abgeordnetenhauses. Jahrelang habe sie in ihrer vorherigen Beziehung versucht, schwanger zu werden, ließ sie durchblicken. Geschnackelt hat es aber erst mit beziehungsweise dank Topolanek. Zufall oder Mythenbildung?"

Man hofft, dass er gleiches politisches Geschick beweist, wie bei ...


Best of Topolanek:
"Die meisten Tschechen teilten das Leben des neuen ODS-Chefs, das sich zwischen Arbeit, Sport, Bier und Datsche abspielte. Ebenso wie sie hatte er vor der Revolution mit Dissidenten nichts am Hut, fiel höchstens dadurch auf, dass er - nach eigenem Bekunden - 'in der ersten Liga gesoffen und sich Wein, Weib und Gesang gewidmet' habe."
"Topolanek nannte den Verfassungsvertrag hemdsärmlig 'einen großen Haufen Mist'." (ganzer Artikel - aus dem Oberpfalznetz)

"Der Konservative (Anm.: Topolanek) hatte bereits vor wenigen Wochen für Negativschlagzeilen gesorgt, als er während einer Aussprache den anwesenden Fotografen die Zunge herausstreckte und eine Grimasse zog. " (ganzer Artikel aus der Netzzeitung)

"Kürzlich drohte er einem Paparazzo: "Komm raus. Ich bringe dich um." Der Fotoreporter hatte auf ihn im Auto vor dem Haus von Parlaments-Vizechefin Lucie Talmanova, der Geliebten Topolaneks, gewartet, um den Regierungschef zu fotografieren." (ganzer Artikel aus diepresse.com)
"Scharfe Kritik an Premier wegen 'Stinkefinger' " aus die Kleine Zeitung

Protect Bohemia and Moravia

chDass man mit Kritik aus Deutschland vielleicht schwieriger umgehen kann als gedacht, bewies Präsident Klaus, der auch noch den Eindruck vermittelt, sich hinter seinem eigenen politischen Berater vertecken zu müssen. Der Eurpaabgeordnete Jo Leinen (SPD) hatte Klaus für seine ablehnende Haltung zur EU-Verfassung kritisiert und Ihm "vorgeworfen, sich mit seiner Ablehnung des EU-Verfassungskompromisses gegen die Interessen Tschechiens und seiner Bürger zu richten. Ladislav Jakl, politischer Berater von Klaus, verschickte daraufhin am Dienstag Abend eine Rund-SMS an zahlreiche Journalisten, in der er Leinen unterstellte, er sehne sich wohl nach dem "Protektorat Böhmen und Mähren" zurück. Klaus selbst reagierte bislang nicht." Ein Schelm der dabei "fehlende Courage" und "schlechten Stil" unterstellen möchte. "Europaminister Alexandr Vondra (ODS) sagte knapp: 'Der Abgeordnete Lenin, oder wie der heißt, kann die Tschechische Republik nicht isolieren.' " (ganzer Artikel auf Tschechien online)

Scheinbar sind mit solchen Äußerungen in Tschechien noch Wählerstimmen zu erzielen. Zumindest haben solche Aussagen keinerlei Auswirkungen auf die innertschechische Reputation von Klaus, der nach letzten Umfragen von fast 80 % der Tschechen für einen guten Präsidenten gehalten wird.

Gründe für diese Reaktionen sind vielleicht darin zu suchen, dass in Tschechien, als relativ kleiner und "neuer" Staat, noch die Befürchtung einer "Wiederbevormundung" durch einen "großen Bruder", in diesem Falle die EU, groß ist. (In der Vergangenheit die Habssburger Monarchie, Hitlerdeutschland oder die Sowjetunion) Nichtsdestotrotz ist zu hoffen, dass sich durch diesen Streit sich die Beziehungen von Deutschland und Tschechien nicht auf das Niveau der deutsch-polnischen Beziehungen hinbewegt, die im Moment noch leider als sehr reseviert zu beurteilen sind.

diepresse.com: "Prag schießt sich auf Berlin ein"
wikpedia: "Reichsprotektorat Böhmen und Mähren"
Oberpfalznetz: "Prager Muskelspiele gegenüber Europa"